28.2.2020
#campus

Menschen, Marken und Maschinen. Visuelle Kommunikation und mehr von 2010 bis 2019

Geradezu rasend, wie die Zeit zu vergehen scheint – gefühlt haben wir vor wenigen Tagen noch Silvester gefeiert, nun ist schon wieder Februar. Nicht weniger rasend ging das letzte Jahrzehnt zu Ende. Zehn Jahre, die es in sich hatten, sowohl gesellschaftlich, technologisch und natürlich auch im Kommunikationsdesign. Zeit für uns, zurückzublicken – auf 10 Jahre Design mit Menschen, Marken und Maschinen.

Ein spannendes Jahr 2010 war schon fast zu Ende, als ich bei CAMAO meinen Job als Art Director antrat. Nicht nur spannend für mich persönlich, sondern auch gesellschaftlich, für Unternehmen und für uns als Kreative allgemein. Im Januar desselben Jahres präsentierte Steve Jobs das iPad, im Mai eröffnete Google sein Portal zur freien Nutzung von Webfonts „Google Fonts“ und im Oktober starteten Kevin Systrom und Mike Krieger eine Plattform für das Teilen von Fotos und Videos – Instagram.

Diese drei bahnbrechenden Neuerungen waren der Auftakt einer Dekade, die es in sich hatte und doch haben sie vordergründig wenig direkt miteinander zu tun. Dennoch verbindet sie eine wesentliche Gemeinsamkeit: Sie haben uns beeinflusst – als Menschen und als Designer bzw. als Dienstleister. Es sind Werkzeuge – Maschinen – und sie galten und gelten als Wegbereiter für viel weitergehende Entwicklungen der Kommunikation von Menschen und Marken.

Die Homepage von Apple im Wandel der Jahre: nicht nur die beworbene Technologie und deren Design änderte sich.
Die Homepage von Apple im Wandel der Jahre: nicht nur die
beworbene Technologie und deren Design änderte sich.

Maschinen – Technologie als Design-Enabler und Konnektivität als Megatrend

Gefühlt begann das letzte Jahrzehnt – wenn man es als „Ära“ begreift – bereits 2007. Das iPhone erschien und Steve Jobs hatte offenbar auch bereits das iPad im Sinn. Kaum eine Entwicklung hat die Welt im Internetzeitalter so beeinflusst wie das iPhone und all seine geistigen Nachfolger. Designer auf der ganzen Welt schätzen das iPad und die darauf laufenden Apps mittlerweile als professionelle Werkzeuge für Design, Illustration und Kunst. Doch vor allem die Touch-Devices haben das Internet revolutioniert. „Mobile First“ und „Responsive Design“ sind als Begriffe erst innerhalb des letzten Jahrzehnts aufgetaucht. Nutzerzentriertes Denken hat sich als quasi unumgängliches Paradigma etabliert und so das Denken einer ganzen Branche auf den Kopf gestellt.

Responsive Design Animation by Vadim Gromov
Responsive Design Animation by Vadim Gromov
(2014: https://www.behance.net/vadim_gromov)

Wir als Designer:innen mussten vor allem eines lernen: Kontrollverlust zu akzeptieren. Zeitweise waren bis zu mehrere tausend Geräte unterschiedlichster Bildschirmauflösungen am Markt erhältlich. Das machte es schlicht unmöglich, beispielsweise eine Website über alle Geräte, Betriebssysteme und Browservarianten gleich gut aussehen zu lassen. Typografische Kontrolle wie beim Design einer klassischen Imagebroschüre oder eines schönen Unternehmensmagazins? Pustekuchen. Durch diese entstandene Vielfalt entstehen natürlich stets neue Reize und Chancen. Es wurde über neuen Navigationskonzepten gebrütet, das „Digital Publishing“ wurde durch Adobes Creative Suite populär und browserseitig hat die kontinuierliche Verbesserung von HTML, CSS und JavaScript nützliche Progressive Web Apps ermöglicht.

Ein weiterer Impuls wurde ebenfalls im Jahr 2010 gesetzt: Die niederländische Softwareschmiede „Bohemian Coding“ veröffentlichte die Software „Sketch“. Ein vektorbasiertes Tool für UI- und UX-Design, welches sich in der Folge als eines der (wenn nicht sogar „das“) Standard-Designtools durchsetzen konnte. Der zu dieser Zeit noch weit verbreitete Platzhirsch Adobe Photoshop – alles Gute zum 30. Geburtstag an dieser Stelle – wurde von Sketch als Screendesign-Tool de facto verdrängt. Adobe musste natürlich nachziehen und veröffentlichte ihre ebenfalls vektorbasierte Lösung „Adobe XD“ – sechs Jahre später.

SketchApp, von Bohemian Coding, ist aus unserem Agenturalltag nicht mehr wegzudenken, sowohl digital als auch analog als Wandschmuck. 😉

Mit dem Strom schwimmen: Design entlang von Megatrends

Ein anderer visueller Aspekt der gestiegenen Konnektivität hat sich Mitte des letzten Jahrzehnts am Markt bemerkbar gemacht: Augmented/Virtual bzw. Mixed Reality sind zwar keine neuen Begriffe, aber erst 2016 wurden sie mit der Verfügbarkeit der Microsoft HoloLens und der Oculus Rift für ein breiteres Publikum zugänglich. Wir hatten uns zu der Zeit bereits mit den ersten Prototypen eingedeckt, um die Chancen und Möglichkeiten der Technologie auszuloten – beispielsweise für die Deutsche Telekom mit unserem 360° VR-Video für den Mobile World Congress 2016. Mit der Indeca 4D haben wir darüber hinaus einen Partner in unserem Netzwerk, der bereits seit einigen Jahren Lösungen vor allem für Mixed Reality anbietet.

Eine direkte Folge des digitalen Wandels und der gestiegenen Konnektivität ist die enorm gesteigerte Anzahl an Endgeräten, die sich sowohl im privaten Sektor als auch in Wirtschaft und Industrie bemerkbar gemacht haben. Nutzerzentriertes Design wurde in den vergangenen 10 Jahren auch für „klassische“ Mensch-Maschine-Schnittstellen in der sogenannten „Industrie 4.0“ immer wichtiger.

Im privaten Sektor lässt das Internet of Things den Megatrend Konnektivität zu einer wirklichen Herausforderung für die Zukunft werden. Ebenso für uns als soziale und arbeitende Wesen waren einige Erscheinungen der letzten 10 Jahre trendbestimmend: etwa Smart (Home) Devices, die „Social Networks“ oder auch digitale Collaboration Tools um nur einige zu nennen.

Instagram als Social Network zum Beispiel war ein Wegbereiter in Bezug auf das schlichte User Interface und letztlich die einfache wie geniale Idee, seine auf dem Smartphone geschossenen Fotos (und später Videos) mit einfachen Filtern „aufzupeppen“. Nie war es einfacher, seine Fotos zu publizieren und nie war es einfacher, qualitativ recht hochwertige Fotos zu schießen. Was natürlich auch die Profis der Branche fordert und zur Schärfung des eigenen Profils veranlasst.

Die Megatrendmap mit der Darstellung des Megatrends Konnektivität (©2020 https://www.zukunftsinstitut.de/)
Die Megatrendmap mit der Darstellung des Megatrends Konnektivität
(©2020 https://www.zukunftsinstitut.de/)

Und: Wenn wir schon von Social Networks sprechen, kommen wir auch am Thema Daten nicht vorbei. Mehr Konnektivität und Datenverkehr haben den Nebeneffekt, dass Konzerne wie Google oder eben Facebook, aber auch wir als Dienstleister, die für diese Plattformen gestalten und mit deren Hilfe wir Marken positionieren, immer mehr über die Menschen wissen. Nicht nur Facebook ist in den letzten Jahren (zu Recht) sehr in die Kritik von Datenschützern geraten.

Wir haben uns des Themas „Big Data“ aus mehreren Perspektiven heraus genähert und uns dabei eines Mediums bedient, das man in der heutigen Zeit fast schon als außergewöhnlich bezeichnen könnte – dem gedruckten Magazin. Mit der ersten Ausgabe der /COVER – unserer hauseigenen Magazins – wollen wir die Menschen anregen, sich in einer beschleunigten Welt ab und zu Zeit zum Lesen und Nachdenken zu nehmen.

Das /COVER-Magazin: unser mutiger, optimistischer Blick in die Zukunft.
Das /COVER-Magazin: unser mutiger, optimistischer Blick in die Zukunft.

Marken, die die Welt verändert haben und weiter verändern werden

Ein weiterer, für das Kommunikationsdesign prägender Begriff ist die Marke. Drei der wichtigsten Marken, die (nicht nur) die letzten zehn Jahre geprägt haben, habe ich eingangs bereits genannt: Apple mit dem iPad, Facebook mit Instagram (seit 2012) und natürlich Google mit dem Mutterkonzern „Alphabet“. Erfolgreiche Marken sind immer wieder in der Lage, sich den unübersichtlichen Zeiten, in denen wir uns befinden, anzupassen – was sich natürlich auch in deren Branding abzeichnet.

Ein bemerkenswerter Trend der letzten zehn Jahre war die Reduktion von Logos auf fast schon beliebig wirkende Einfachheit. Achim Schaffrinna schrieb in seinem Blog Designtagebuch.de: „Ebay, Yahoo!, Microsoft, zuletzt Facebook und nun Google – der Trend in Richtung Beliebigkeit hält an“. Allerdings muss man sagen, dass Kommunikationsdesign eben doch mehr ist, als ein schönes Logo zu gestalten, was oftmals als „zeitlos“ beschrieben wird.

Gerade Google erreicht – im Zusammenspiel mit ihrem in den 10er-Jahren beschriebenen Design-Prinzipien des „Material Design“ und der mittlerweile schon ikonischen Farbpalette – ein absolut konsistentes Branding. Und auch Yahoo! hat pünktlich zum auslaufenden Jahrzehnt dem Markenauftritt wieder mehr Eigenständigkeit verliehen.

Vorher/Nacher-Vergleich der Logos bekannter Marken und Logo-Evolution von Yahoo! über die Jahre
Vorher/Nacher-Vergleich der Logos bekannter Marken und Logo-Evolution von Yahoo! über die Jahre.

Für mehr Möglichkeiten des digitalen Brandings hat Google übrigens mit dem oben erwähnten „Google Fonts“ gesorgt. Google hat so auch zur Verbreitung der Webfont-Standards wie WOFF und EOT beigetragen. Die kommerziellen Fontfoundries, die auf zahlende Kunden angewiesen sind, haben somit ebenfalls vom digitalen Wandel profitierten können. Auch wenn der Vertrieb und Verkauf von Fonts sicherlich in den letzten 20 Jahren u. A. durch digitale Tauschbörsen alles andere als leichter wurde. Ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren weiter verfestigt hat – die Typografie-Enthusiasten unter uns wird es freuen – ist das konsequente Verwenden der Unternehmens-Hausschriften in der digitalen Welt.

Branding-Vielfalt ohne beliebig zu werden. (©2020 Google)

Außerdem hat ein weiterer Begriff das vergangene Jahrzehnt stark geprägt: die „digitale Disruption“. Digitale Geschäftsmodelle der Sharing Economy z. B. Uber oder AirBnb, aber auch andere disruptive Modelle wie Netflix als Streaming-Dienst, zwingen „alte“, gestandene Marken zum Umdenken. Manchmal verschwinden sie sogar gänzlich von der Bildfläche – ungeachtet dessen, dass „Disruption“ zum einen kein wirklich neues Phänomen ist und zum anderen in gewisser Hinsicht ein Synonym für Evolution darstellt. Disruption ist im Prinzip als permanente Störung bestehender, träger Systeme zu verstehen und Evolution findet eben nur durch permanente Störung statt, wie z. B. Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts, feststellt.

Auch unsere eigene Marke, CAMAO, ist einem stetigem Wandel unterworfen, dem wir tagtäglich begegnen. Wir Menschen erwecken die Marke(n) letztlich zum Leben und wenn wir an den Veränderungen wachsen, müssen die Marken dies ebenso tun.

Das Wichtigste kommt zum Schluss: wir, die Menschen

Viele, sehr viele verschiedene Menschen haben (nicht nur) die letzten 10 Jahre geprägt. Der eingangs erwähnte Steve Jobs, aber auch Personen aus der Informatik, Kunst und Kultur trugen mit ihren Arbeiten zum Designverständnis, wie wir es heute kennen und praktizieren, bei. Ob z. B. Chris Messina als Co-Gründer der Barcamps und „Erfinder“ des Hashtags oder Jake Knapp, der mit seiner Spielart des Design Thinkings ein bemerkenswertes Werkzeug ersann, was auch uns in unserer täglichen Arbeit begleitet. Auch Simon Sinek sei hier zu nennen, dessen Frage nach dem „Warum“ (Why, how, what) uns und somit vor allem unsere Kunden im letzten Jahrzehnt mehr als bereichert hat.

Leider waren in den letzten 10 Jahren auch schmerzliche Verluste zu beklagen. So verstarben mit Kurt Weidemann († 30. März 2011) und Adrian Frutiger († 10. September 2015) zwei der wichtigsten Vertreter des Grafik-Designs aus Deutschland. Ebenso verstarb der britische Grafik-Designer Storm Thorgerson, dessen Arbeiten (unter anderem das Cover von Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“) die Menschen wohl noch in 100 Jahren inspirieren werden.

Inspiration erhalten wir auch immer wieder durch verschiedene Veranstaltungen, die von Menschen für Menschen gemacht werden. Gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen befreundeter Agenturen und engagierten Menschen durften wir CAMAOs Teil des Webmontags Darmstadt sein, der sich eben diesen Themen rund um Digitale Transformation, Digitale Stadt, aber auch Liebe oder Humor im Netz gewidmet hat.

„1 bisschen LOL muss sein“ – Der Wemoda vom 20. November 2017.
„1 bisschen LOL muss sein“ – Der Wemoda vom 20. November 2017.

Vom Rückblick zum Ausblick

Zurückzublicken ist das eine. Die Frage, wie unsere Zukunft aussehen könnte, natürlich etwas ganz anderes. Ob nun digitale, persönliche Assistenten wie Siri oder Alexa noch intelligenter werden oder virtuelle Welten und die Erweiterung unserer Realität tatsächlich aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, wissen wir (noch) nicht. Einen der Megatrends – Konnektivität – hatte ich bereits angerissen. Andere Megatrends, die sich in den letzten Jahren herauskristallisiert haben, geben teilweise bereits die Richtung vor – beispielsweise „Neo-Ökologie“, „New Work“, die „Kultur des Wissens“ und natürlich Mobilität. Manche Treiber des Wandels beziehen sich hierbei auf die Arbeitswelt, andere auf unsere Gesundheit oder die Gesellschaft allgemein – und sie nehmen gehörig an Fahrt auf. Aber allen gemein ist, dass sie untrennbar miteinander zusammenhängen. Sie wirken alle auf uns und unseren Alltag. Auf die Art wie wir denken, fühlen und letztlich auch wie wir als Kommunikationsdesigner der Welt unseren „Stempel aufdrücken“ – für ein besseres Zusammenwirken von Menschen, Marken und Maschinen.

Titelbild: Photo by Djim Loic on Unsplash